# Nochmals die „Organismen der Meteorit“ ## Von Anton Rzehak in Brünn Ich weiß nicht, ob es für die Wissenschaft ein Vorteil ist, wenn die Vertreter derselben gewissen literarischen Erzeugnissen gegenüber eine Gleichgültigkeit an den Tag legen, die sehr leicht missdeutet werden kann. „_Qui tacet, consentire videtur_“; nach diesem Grundsatz schließt das große Publikum und macht die kühnste Hypothese, wenn gegen dieselbe von maßgebender Seite keinerlei Einwendungen erhoben werden, ohne weiters zu einem Dogma. Während sich der Gelehrte mit einem entsprechenden Grade von Wahrscheinlichkeit begnügt, meint der Laie mit Fug und Recht nach Wahrheit fragen zu dürfen; der ganze komplizierte Apparat der wissenschaftlichen Tätigkeit, das mannigfache Ineinander gehen und Zusammenwirken verschiedener Disziplinen ist ihm völlig fremd. Solche Errungenschaften, die ein allgemeines Interesse in Anspruch nehmen, werden bald im Publikum bekannt und sorglich in der für jeden Gebildeten „von heutzutage“ unentbehrlich gewordenen wissenschaftlichen Vorratskammer „für den Hausgebrauch“ aufbewahrt. Der Kontakt zwischen den Gelehrten und dem Publikum wird zumeist nur durch die Tagesjournalistik vermittelt; die Vermittler sind in der Regel nicht im stande, den Maßstab wissenschaftlicher Kritik selbst anzulegen, müssen aber doch trachten, dem im Publikum faktisch bestehenden Bedürfnisse gerecht zu werden. Und so pflücken sie denn hie und da vom Bäume der Wissenschaft eine Frucht und bieten sie zum Genüsse dar, ohne Rücksicht darauf, ob diese Frucht auch bereits reif und genießbar ist. Auf diese Art geschieht es, dass im Publikum verschiedene Ansichten, über welche die Gelehrten noch keineswegs einig sind, verbreitet und _bona fide_ als Tatsachen hingenommen werden. So ging es auch mit den „Organismen der Meteorit“; die „Entdeckung“ des Herrn Dr. Hahn wurde in zahlreichen Zeitschriften ohne jegliche Kritik besprochen und scheint ganz populär werden zu wollen, ehe sie noch von kompetenter Seite bestätigt oder widerlegt wird. Sowohl _pro als contra_ haben sich bisher nur wenige Stimmen erhoben, obwohl die Sache unleugbar eine tiefere Bedeutung für die ganze monistische Weltanschauung besitzt. Die Möglichkeit des Vorkommens organisierter Gebilde in Meteorsteinen ist durchaus nicht von vornherein ausgeschlossen, und wenn nun dieses Vorkommen nicht etwa nur mit Wahrscheinlichkeit, sondern mit Gewissheit behauptet wird, so tritt an den Fachmann die Verpflichtung heran, die Sache einer unparteiischen, vorurteilsfreien Kritik zu unterziehen. Wie kommt es jedoch, dass man sich allgemein scheut, in einer so interessanten Frage sein Urteil offen auszusprechen? Unwillkürlich wird man dadurch an die Ängstlichkeit erinnert, mit welcher die Gelehrten zu Anfang dieses Jahrhunderts den von Chladni über den Ursprung der Meteoriten geltend gemachten Ansichten auszuweichen suchten. Man behauptete damals, „Chladni habe nur eine paradoxe Meinung so hingeworfen, und mit allen möglichen Scheingründen ausstaffiert, um, wenn sie von den Physikern ernstlich aufgenommen würde, sich über die lustig zu machen.“ Vielleicht hegt man bezüglich der Hahnschen „Entdeckung“ ähnliche Befürchtungen; glaubt man jedoch die Ausgeburten der Dilettanten-Gelehrsamkeit dadurch unschädlich zu machen, dass man sie ganz einfach ignoriert? Bergrat Dr. Jenzsch, ein Vorläufer des Herrn Dr. Hahn, glaubt vor Jahren in Melaphyr- und Porphyrgesteinen Reste fossiler Organismen entdeckt zu haben; er verstieg sich freilich nicht bis zu den Korallen und Crinoiden, sondern sprach nur von vollkommen gut erhaltenen Algen, Infusorien und Rädertieren. J. G. Bornemann hat die Entdeckung des Dr. Jenzsch gelegentlich der Natur Forscherversammlung zu Dresden (1868) besprochen und nachgewiesen, „dass sich unter allen angeblichen Tier- und Pflanzenresten nicht das geringste befand, was nicht auf natürliche Weise als eine anorganische Erscheinung und ein auf rein physikalischem Wege entstandenes Gebilde hätte gedeutet werden müssen.“ Darf man Bornemann vielleicht einen Vorwurf machen, dass er es nicht unter seiner Würde hielt, die Ansichten des Bergrats Jenzsch zu prüfen? Gewiss nicht! Dr. Hahn steht mit seiner Ansicht nicht mehr isoliert da; er hat in Dr. Weinland einen Verteidiger gefunden, welch letzterer wieder einen deutschen Paläontologen, dessen Name leider verschwiegen wurde, von der zoomorphen Natur der Chondren überzeugt haben will. Unter diesen Umständen ist es denn doch geboten, die unparteiische Prüfung der Sache in Angriff zu nehmen, und fordere ich hiermit alle jene dazu auf, welche Gelegenheit haben, Dünnschliffe von Chondriten zu untersuchen. Herrn Dr. Hahn braucht es bei dieser Aufforderung nicht bange zu werden; ist seine Ansicht eine richtige, so wird sie endlich, trotz aller Angriffe, auch als solche anerkannt werden. Es handelt sich hier wesentlich nur um die Frage: „Ist die Struktur der Chondren eine rein mineralogische oder nicht?“ Die meisten Meteoritenkenner werden diese Frage wohl ohne weiteres in bejahendem Sinne beantworten; man muss indessen trachten, um nicht von Dr. Hahn der „Oberflächlichkeit“ oder „Unehrlichkeit“ geziehen zu werden, möglichst viele Gründe, welche für die anorganische Struktur der Chondren beweisend sein können, beizubringen und „schwarz auf weiß“ darzulegen. Die Eigentümlichkeiten der Chondrit hat bereits G. Rose hervorgehoben, und wohl ein jeder, der dieselben zu studieren Gelegenheit gehabt hat, ist auf den Gedanken gekommen, dass die Bildungsweise derselben verschieden gewesen sein mag von den uns bekannten Bildungsweisen terrestrischer Gesteine. Die Analogie der letzteren mit den Chondriten ist trotz mancher Ähnlichkeiten doch nur eine unvollkommene. Gümbel erklärt die Chondrit für Trümmergesteine und Tschermak findet in der eigentümlichen Struktur derselben gewisse Anklänge an die terrestrischen Tuffe; er denkt jedoch hierbei an eine Zerreibung starrer Massen und schließt die Tätigkeit des Wassers bei Bildung der Chondrit aus. Nach der Ansicht des Herrn Dr. Hahn müssten die Chondrit rein klastische Gesteine sein, die in sehr ruhigem Wasser zur Ablagerung gelangt sind, nachdem „nirgends abgerollte Formen oder Splitter“ vorhanden sind. Dennoch meint Dr. Hahn, „dass das Gestein der Chondrit nicht etwa nach Art unserer Sedimentgesteine ein Schlamm war, in welchen die Tiere eingelagert wurden.“ Die „ganze Masse“ soll aus Organismen bestanden haben; dann bleibt es jedoch sehr rätselhaft, an was die Crinoiden, Korallen und Schwämme, deren Anwachstellen ja Herr Dr. Hahn ganz deutlich beobachtet hat, eigentlich befestigt waren?? Auf keinen Fall zeigen die Chondrit eine wesentlichere Übereinstimmung mit den klastischen Gesteinen der Erdrinde. Gümbels Ansicht, nach welcher die Meteorit „aus einer Art erstem Verschlackungsprozeß der Himmelskörper“ hervorgegangen sein sollen, scheint die einzig mögliche Deutung ihres eigentümlichen Wesens zu sein. Daubrée hat bekanntlich über die Bildungsweise der Meteoriten sehr interessante synthetische Versuche angestellt und die Chondrit nicht nur nach ihrer Zusammensetzung, sondern sogar nach ihrer Struktur in einer der Natur vollkommen entsprechenden Weise künstlich nachgebildet. Die charakteristischen Kügelchen von Olivin und Enstatit entstanden durch Schmelzung und Abkühlung von Magnesiasilikaten, also auf einem ganz andren Wege, wie die ganz analogen „Organismen“ des Herrn Dr. Hahn! Auch Meunier stellte den Chondren ganz entsprechende Formen künstlich dar. Aus der Analogie der Chondren mit Hagelkörnern schließt Gümbel, dass erstere „durch Ansammlung Mineral bildender Stoffe in Dämpfen, unter gleichzeitiger drehender Bewegung“ entstanden sind; die ungewöhnliche Entstehungsweise erklärt hinlänglich die ungewöhnlichen Eigenschaften. Die Chondren zeigen alle so viel Übereinstimmung in ihrem Auftreten und ihrem Habitus, dass wir berechtigt sind, für alle dieselbe Entstehungsart anzunehmen. Erweisen sich einzelne Chondren als Zoomorphosen, so muss es sich auch von allen übrigen nachweisen lassen, dass sie mineralisierte Tierreste sind; gelingt es, umgekehrt, nachzuweisen, dass die Struktur einzelner Chondren eine rein anorganische sei, dann muss dies für die Chondren überhaupt gelten. Dieser Ansicht gemäß glaubte ich mit Rücksicht auf die von mir als anorganisch erkannte Struktur der im Meteorstein von Tieschitz in Mähren (15. Juli 1878) vorkommenden Chondren gegen die „Unzweifelhaftigkeit“ der Hahnschen „Organismen“, die bald als Pflanzen, bald als Schwämme, dann wieder als Korallen und Crinoiden erscheinen, einige Zweifel aussprechen zu dürfen. Wenn Herr Dr. Hahn meint, dass ich vorher seine Präparate hätte studieren sollen, dann gesteht er ja selbst zu, dass sein mit einem bedeutenden Kostenaufwände publiziertes Werk nicht geeignet sei, die Leser zu überzeugen; es wäre also gewiss zweckmäßiger gewesen, das viele Geld zu sparen und die „unzweifelhaftesten“ Organismen in der Welt „zur gefälligen Ansicht“ herum zu senden. Auf diese Art hätte Herr Hahn für seine „Entdeckung“ und deren weltenumstürzende Konsequenzen die beste Propaganda machen können! In der Ausbildung der Chondrenstruktur gibt es wohl graduelle Verschiedenheiten, aber auch nur solche; der Typus bleibt immer derselbe. Weist ja Herr Dr. Hahn selbst auf den einheitlichen Typus seiner Organismen hin, ohne zu wissen, dass er damit einen gewichtigen Einwurf gegen seine eigenen Deutungen ausspricht. Die Übergangsreihe zwischen den einzelnen Strukturformen kann, wie ich an diesem Orte (S. 396) dargelegt habe, unmöglich als eine genetische (im Sinne der organischen Naturwissenschaften) betrachtet werden. Auf die Exzentrizität der Struktur legt Herr Dr. Hahn besonders Gewicht. Was hat es nun aber für ein Bewandtnis mit solchen Chondren, bei welchen die angeblichen „Polypenröhren“ nicht exzentrisch, sondern gegen einen innerhalb der Chondren-Peripherie gelegenen Punkt zusammenlaufen? Solche Chondren sind allerdings selten, aber sie kommen doch vor; ich beobachtete ein solches Exemplar in einem Dünnschliff des Meteoriten von Tieschitz, und auch Gümbel und Tschermak konstatierten solches Vorkommen. Besonders interessant ist ein Kügelchen, welches der letztgenannte Gelehrte im Meteorstein von Orvinio beobachtete und in welchem die quergegliederten Säulchen („Crinoidenarme“) aus zwei innerhalb des Umrisses gelegenen Punkten gegen einander ausstrahlen! Gümbel sagt über die Struktur der Chondren: „Zuweilen sieht es aus, als ob in einem Kügelchen gleichsam mehrere, nach verschiedenen Richtungen hin strahlende Systeme vorhanden wären oder als ob gleichsam der Ausstrahlungspunkt sich während der Bildung geändert hätte, wodurch bei Durchschnitten nach gewissen Richtungen eine scheinbar wirre, stängliche Struktur zum Vorschein kommt.“ Eine solche wirre Lage der Säulchen tritt nicht selten bei den Chondren des Tieschitzer Meteoriten auf, Tschermak beobachtete sie auch an den Chondren des Meteorsteines von Grosnaja (Kaukasus). Auch die Abbildungen, die Herr Dr. Hahn seinem Werke beigegeben hat, zeigen zum Teile eine verworrene Lage der Säulchen. Chondren dieser Art lassen sich wohl kaum als Organismen deuten; ist aber ihre Struktur als eine anorganische erkannt, dann ist es unstatthaft, die Struktur der gewöhnlichen exzentrisch-faserigen Chondren für eine organische zu erklären. Was das Vorkommen von Kanälen, Durchbohrungen und Querscheidewänden anbelangt, so werden diese bei den „Organismen“ der Meteorit wahrscheinlich als ebenso anorganische Gebilde erkannt werden, wie die Kanäle, das „intermediate skeleton“ und die Kammerung des _Eozoon canadense_. Die in Kalkspatkristallen vorkommenden, geradlinigen Kanäle sind allen Mineralogen bekannt, G. Rose hat sie ausführlich beschrieben. Sie stehen in Beziehung zu dem molekularen Bau des Kristalls. Bedeutungsvoller mit Rücksicht auf die Kanäle der Chondrenfasern dürften jene haarfeinen, geradlinigen Kanäle sein, welche zuerst G. Rose im Olivin des Pallaseisens erkannte und die später (1870) von N. v. Kokscharow beschrieben wurden. Die betreffenden Olivine waren Flächenreiche Kristalle!! In dieselbe Kategorie dürften eigentümliche, in einem Kügelchen des Meteorsteines von Lancé, von R. v. Drasche beobachtete Gebilde gehören. Das Kügelchen zeigte mehrere, aus einem exzentrisch liegenden Punkte unter Winkeln von etwa 45° gegen die Ränder ausstrahlende Leistchen, an welche wieder andre, kürzere, unter gleichem Winkel und in größerer Anzahl befestigt erschienen. Die letzteren Leistchen erschienen bei starker Vergrößerung hohl und teilweise mit einer dunkelgrünen, flockigen Substanz erfüllt. Diese kanalisieren Leistchen kann man mit Rücksicht auf ihre geometrische Anordnung wohl kaum für Korallenröhren oder Crinoiden halten. Vielleicht macht Herr Dr. Hahn ein neues _Genus_ daraus, welches den Übergang der Tiere in die – Mineralien vermittelt. Im Querschnitte machen die Kanäle natürlich den Eindruck von runden Öffnungen; auch Glas- oder Gaseinschlüsse können so angeordnet sein, dass man sie leicht für Perforationen halten kann. Ich beobachtete solche Einschlüsse in einem Kristall des Tieschitzer Meteoriten; da mir hierbei die Mineralsubstanz selbst ganz gleichgültig sein konnte, sprach ich mich über die mineralogische Natur dieses Kristalls in meiner Kritik des Hahnschen Werkes nicht näher aus. Sonderbarerweise hat das Fragezeichen, welches ich dem Worte „Feldspat“ beifügte, den Zorn der Herren Hahn und Weinland so erregt, als ob hier einzig und allein die Substanz in Betracht zu ziehen wäre. Die Bestimmung der die Meteoriten zusammensetzenden Mineralien ist bekanntlich durchaus nicht so einfach, und selbst Koryphäen auf diesem Gebiete bedienen sich, wie man sich aus der bezüglichen Literatur überzeugen kann, weit häufiger des Wortes „scheint“, als des Wortes „ist“. Niemand wird darin eine Unwissenheit, sondern eher nur eine Bescheidenheit erblicken, die gegen die grenzenlose Anmaßung, welche in dem von Herrn Dr. Hahn so oft gebrauchten Worte „unzweifelhaft“ liegt, gewiss sehr angenehm absticht. Die Quergliederung der Chondrenfasern ist oft ganz unregelmäßig, bei manchen Chondren nur stellenweise, bei manchen gar nicht ausgebildet. In den von mir beobachteten Chondren wird die Gliederung durch einfache Querklüfte bewirkt, die, wenn sie von fremder Substanz erfüllt sind, leicht als Querwände erscheinen können. Im Meteorstein von Lancé find die Spaltungsdurchgänge des Bronzits sehr oft von fremder Substanz erfüllt; es entstehen dann natürlich scheinbar mit Wänden versehene Röhren; ist die Zwischenlagerung fremder Substanz diskontinuierlich, so erscheinen die Wände gleichsam durchbrochen. Manche Chondren zeigen eine wahrscheinlich aus Meteoreisen (Gümbel) bestehende Überrindung, andre eine hellere, gegen den zentralen Teil sich abhebende Außenzone; Chondren der letzteren Art kommen im Meteorstein von Grosnja und in dem von Tieschitz, höchst wahrscheinlich auch in andern Chondriten vor. Manchmal erscheinen die Chondren von außen her eingedrückt, in einer Weise, welche einen ursprünglich plastischen Zustand der Chondren vermuten lässt. Fast alle Bestandteile des Tieschitzer Meteoriten, nämlich Olivin, Bronzit, Enstatit und Augit enthalten häufige Glaseinschlüsse; dieselben sind meist gestreckt, und erscheinen dann kanalartig; manchmal sind die mäandrisch oder netzartig verteilt. Dieses Vorkommen der Glaseinschlüsse deutet auf sehr hohe Bildungstemperaturen der chondritischen Mineralien. Wie die „kreisrunden, elliptisch geformten Flächen mit einer Wand“ aussehen, von welchen Herr Dr. Hahn (Ausland, Nr 26) spricht, kann ich mir trotz aller Mühe nicht ganz deutlich vorstellen; wenn ich mich aber auch über dieselben nicht aussprechen kann, so glaube ich doch nachgewiesen zu haben, dass die Struktur vieler Chondren eine anorganische ist; nun sind aber „alle die 100 Strukturformen“, welche die Chondren zeigen, durch zahllose Übergänge miteinander verknüpft, wie die famose, hyperdarwinianische „Entwicklungsreihe“ beweist, welche Herr Dr. Hahn mit mehr Verwegenheit als Überlegung zwischen Schwämmen, Korallen und Crinoiden aufgestellt hat. Dass die „100 Strukturformen“ sich auf einen einzigen Typus zurückführen lassen, gesteht Herr Dr. Hahn selbst zu, und beantwortet also selbst die an mich (Ausland Nr 26, S 504) gestellte Frage. Dafür blieb er mir bis zu diesem Augenblicke die Antwort schuldig auf meine Frage: „Warum leugnet Herr Dr. Hahn die anorganische Natur des _Eozoon canadense_, nachdem dieses Gebilde allen an die organische Natur der Chondren geknüpften Bedingungen entspricht?“ Das Meteoreisen erklärt Herr Dr. Hahn für „Pflanzenfilz“, die Widmanstättenschen Figuren für Pflanzenzellen. Ich erlaube mir, Herrn Dr. Hahn darauf aufmerksam zu machen, dass man, wie Daubrée gezeigt hat, in nicht meteorischem Eisen eine den Widmannstättenschen Figuren völlig analoge Struktur hervorbringen kann. Schon Sömmering erkannte (1816), dass die Linien der Widmannstättenschen Figuren sich unter Winkeln von 60°, 90° und 120° schneiden, welche Winkel dem Oktaeder und Würfel entsprechen. Am Braunauer Eisen lassen sich durch Ätzen die Würfelflächen leicht auffinden; andres Eisen zeigt deutlich oktaedrische und selbst tetraedrische Blätterdurchgänge. Wenn Herr Dr. Hahn die Beobachtungen von Karsten über die Aufnahme von Eisen durch Pflanzenzellen für seine Ansicht verwerten will, dann muss er auch trachten, die Art und Weise, wie die Reduktion des von den Zellen nicht im metallischen Zustande aufgenommenen Eisens erfolgen konnte, darzulegen. Da wird es jedoch notwendig sein, vorher ein wenig Chemie zu studieren! Staunenswert ist es, dass Herr Dr. Hahn das Vorkommen von Kohle und Kohlenstoffverbindungen in manchen Meteoriten für seine Ansichten nicht verwertet hat. Indem ich Herrn Hahn auf diesen Umstand aufmerksam mache, bin ich zugleich so grausam, ihm mitzuteilen, dass zwei Männer, denen man immerhin gestatten darf, in dieser Angelegenheit ein Wörtchen mit drein zu reden, nämlich Daubrée und Bischof, über den Kohlenstoffgehalt der Meteorit dem Herrn Dr. Hahn keinesfalls konvenierende Ansichten ausgesprochen haben. Es wird mich gewiss sehr freuen, wenn es einmal gelingt, Organismen in Meteoriten mit Sicherheit nachzuweisen und dadurch unsern kosmogenetischen Theorien eine reale Stütze zu verleihen. Ich bin kein Ungläubiger von der Sorte eines J. de Luc, welcher erklärte, der Ansicht Chladnis über den kosmischen Ursprung der Meteoriten selbst dann nicht beipflichten zu wollen, wenn ihm „ein Stein vom Himmel zu den Füßen niederfiele“. Die bisherigen Ausführungen des Herrn Dr. Hahn und meine eigenen Beobachtungen haben mich von der organischen Natur der Chondren noch nicht überzeugt. Es heißt, Herr Dr. Hahn wäre kein „Fachmann“; dieser Umstand entschuldigt keineswegs die in seinen Publikationen enthaltenen fachlichen Missgriffe und Folgerungen. Wie kann ein Laie, d. h. Nicht-Fachmann, sich unterfangen, mit apodiktischer Gewißheit und einer alle Einwürfe von vornherein abweisenden „Unzweifelhaftigkeit“ Behauptungen aufstellen, die mit den Errungenschaften der Wissenschaft im Widerspruch stehen? Wie darf man es wagen, eine in die Gebiete der Paläontologie, Geogenie, Mineralogie und Chemie gleich tief eingreifende Frage zu erörtern, ohne mit den genannten Disziplinen entsprechend vertraut zu sein? Mit Ungeduld sehe ich den Beweisen entgegen, welche Herr Dr. Weinland, der selbst zugesteht, den Deutungen seines Freundes Hahn „durchaus nicht überall folgen zu können“, für die organische Natur der Chondren beibringen wird. Hoffentlich wird er als Fachmann mit weniger Anmaßung und mehr positiven Kenntnissen zu Werke gehen! Brünn, im Juli 1881.